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Schnapsbrennerei oder
Das Tsikoudia – BrennenHolzstapel

Verabredungen werden getroffen, Pickups voller Holz fahren vor und werden abgeladen, Fässer werden den kleinen abschüssigen Weg bergauf gerollt und ein Traktor wummert im Hintergrund. Es ist wieder Schnapsbrennerzeit.
Jedes Jahr im Oktober läuft wochenlang ein kleines Rinnsal an meiner Haustür vorbei – Holzrauch liegt in der Luft und von Zeit zu Zeit ertönt ein wohltuender rhythmischer Klang, wie aus dem tiefen Bauch von Mutter Natur, nicht unähnlich einem Digeridoo. Dann reinigt Jianni mittels eines langen Bambusrohres, an dem ein kleiner Schwamm befestig ist das Destillierrohr für den nächsten Brand. Drei bis vier Mal am Tag wird er dieses jetzt die nächsten Wochen tun.
In Fässern aller Art haben die Tresterreste (zertretene Trauben, Siele und Kerne) von der Weinherstellung in großen Fässern, bis zu 25 Tagen vor sich hin gegoren. Jetzt werden sie herbei gebracht, um daraus den beliebten, berühmten und begehrten Raki herzustellen, doch auf Kreta nennt man es Tsikourdja (mit der Betonung auf der letzten Silbe).

Trester, TraubenresteDas Brennen bedeutet neben Geduld und Sachverstand auch schwere körperliche Arbeit. Jeder, der hier Brennen lässt, bringt das dafür benötige Brennholz selber mit. Da türmen sich Berge von Stämmen und kantigen Hölzern vor der Fabrika, in der sich auch das alte Destilliergerät befindet. Die Lizenz zum Brennen ist auf Kreta nur innerhalb der Familie vererbbar und zwar solange, wie der kupferne Kessel besteht. Das ist alte Tradition, und neue Lizenzen werden schon lange nicht mehr ausgestellt. Kesselflicker haben also stets Nachfrage, denn Ausbessern kann man das gute Stück, solange es nur geht.

Jianni brennt nur noch aus Hobby und für ein paar Freunde, denn das Brennen ist schwere körperliche Arbeit. Zunächst wird der gereinigte Kessel mit einer Lage „Stroh“ belegt. Hier scheiden sich schon die Geister, denn jeder hat da so sein eigenes Rezept. Gesehen habe ich Makkia-Gestrüpp oder getrocknete Thymian-Sträucher, das gibt dem Brand ein spezielles Aroma.
der alte Kessel, Destiliergerät

Auf Kreta wird der Schnaps nicht nur zu geselligen Anlässen getrunken, sondern auch als Einreibung bei Erkältungen und Verzerrungen angewendet. Je nach der angelieferten Tresterqualität kommt noch eine Handbreit Wasser hinzu, bevor der Kessel mit den gegorenen Resten von der Weingewinnung aufgefüllt wird. Mit einer sauberen Mistgabel wird alles in den Kessel hinein gehüsert. Dieser steht fest eingemauert auf einem hohen Podest, unter dem die Feuerstelle mit Holz betrieben wird.
Jianni beim Befüllen des Kessels

Dann wird der große kupferne Deckel mit dem Anschlussstück für das Destilierrohr aufgesetzt und
Gerstenmehl
der Abschlussrand gut abgedichtet. Dafür benutzt Jianni grobes Gerstenmehl, dass er mit etwas Wasser zu einer knetfähigen Masse vermengt. Diese Mischung ist feuer- und hitzebeständig
Abdichten des Kessels
und dichtet gut ab. Das Destilierrohr mündet in ein anderes Rohrstück, welches durch ein stehendes Metallfass verläuft. Diesem Kühlfass wird ständig kaltes Wasser mittels eines Schlauches hinzugefügt, während das erwärmte Wasser durch einen zweiten Schlauch abgeleitet wird (welches dann an meiner Haustür vorbei rinnt, weil der Schlauch löchrig ist). Entleeren des KesselsIn dem das Kühlfass durchlaufendem Destilierrohr schlägt sich der erhitzte Dampf in Tropfenform nieder und tropft schlussendlich in das tönerne Auffanggefäß am Ende des Prozesses. Das erfordert Geduld und Erfahrung, denn das Feuer muss schön gleichmäßig brennen und darf weder zu stark noch zu schwach sein. Das Destillat wird immer wieder auf seinen Alkoholgehalt geprüft, damit der Schnaps am Ende kretisch hochprozentig ist. In dieser Zeit finden sich oft nach Feierabend und am Wochenende Freunde und Bekannte desjenigen ein, der gerade seinen Trester brennen lässt. Gemütlich sitzt man in der doch kalten dunklen Scheune. Aus dem außerhalb gelegenen Feuer wird ein bisschen glühende Kohle entnommen und allerlei gegrillt. Brizolas (Kotletts), Würstchen, Brot, Mais oder Fisch – alles landet auf dem Grill,
Ausschöpfen der Flüssigkeit
man kostet den noch warmen Schnaps und knabbert Nüsse dazu, die Jiannis Frau herbei bringt und jedem Gast anbietet. Dann ist Leben in der Bude, doch ich sehe Jianni tagsüber oft alleine auf dem alten Plastikstuhl sitzen und über den Brand wachen. Früher, so sagt er mir, habe jeder geholfen beim Be.- und Entfüllen des Kessels, aber heute habe man da keine Zeit mehr für. Dann steht er auf, klettert auf das Podest und öffnet den Kessel. Dieser Brand ist beendet. Mit der Mistgabel räumt er den Kupferkessel leer – schwupps alles auf einen stetig wachsenden Das Kühlwasserfass, der Schwamm am Bambusstock, die Kürbisschöpfkelle und die Mistgabel.Berg Tresterabfälle, der jetzt dampft. Anschließend schöpft er mit einem geöffneten Kürbis, den er als Kelle benützt, die Flüssigkeit aus dem Becken – wusch in einem hohen Bogen auf den dampfenden Tresterberg. Ob ich mal helfen könne? Natürlich, und so halte ich mit meiner flachen Hand das Ende des Destilierrohres zu, während Jianni mit der Kürbiskelle sauberes Wasser einfüllt und mittels des Schwammes am Ende des Bambusstabs beginnt, das Rohr zu reinigen. Und wieder ertönt dieser wunderbare satte, dumpfe, tiefe Klang, den ich so lieb gewonnen habe.

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